Ende Mai trafen sich die ALUMNI ZHAW Engineering & Architecture in Zürich Altstetten, um einen exklusiven Blick hinter die Kulissen des internationales Nachtverkehrs der SBB zu werfen. Dieser startete mit einem geschichtlichen Rückblick: 1872 wurde der klassische Schlafwagen mit Abteilen und Betten durch den Belgier Nagelmackers entwickelt. Von diesem Moment an wurde das Nachtzugangebot eigentlich konstant ausgebaut und erweitert – selbstverständlich unterbrochen durch die zwei Weltkriege und politische Krisen und sowie deren Folgen. Im Jahr 1993 folgte indes die Zäsur, die sich bis heute auswirkt: Auf Betreiben neoliberaler politischer Akteure, die sich dem Geldverdienen ohne Rücksicht auf externe Kosten verschrieben hatten, wurde der Luftverkehr dereguliert. Dies führte zu einem Boom der Billigairlines, wohingegen für die SBB, nach Einstellung ihres letzten eigenen Nachtzuges nach Rom Ende 2009, der Nachtverkehr nicht mehr Teil ihres Geschäftsportfolios war. Auch im Bereich der Mittel- und Langfristplanung beim Angebot und der Infrastruktur wurde das Thema nicht berücksichtigt – was der SBB heutzutage das Leben schwer macht. Ende 2016 stellte dann auch die Deutsche Bahn ihren Nachtverkehr ein – einige der Fahrzeuge und Linien wurden aber nahtlos von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) übernommen, so konnten u. a. die Nachtzugangebote nach Berlin und Hamburg ab der Schweiz erhalten bleiben.
Im Jahr 2019 folgte dann eine weitere Zäsur: Die – damals noch sehr junge – Klimaaktivistin Greta Thunberg schaffte es mit ihrem Schulstreik nicht nur, einen Bewusstseinswandel in den Köpfen vieler zu bewirken, sondern sie stiess auch einen Verhaltenswandel an. Plötzlich explodierte die Nachfrage nach Nachtzügen – doch die bestehende Ausgangslage machte es der SBB unmöglich, der Nachfrage zu entsprechen. Im Herbst 2020 kommunizierten die SBB dann gemeinsam mit den ÖBB ihre Ausbaupläne für den Nachtverkehr ab der Schweiz, deren erste Teile 2021 mit dem Nightjet nach Amsterdam und 2022 durch den Angebotsausbau ab der Schweiz mit dem EuroNight via Leipzig nach Dresden und Prag umgesetzt wurden.
Nach diesem Input durften die verschiedenen Nachtzüge inspiziert werden, während sie in Zürich Altstetten für ihre nächtliche Fahrt vorbereitet wurden – was beispielsweise die Innenreinigung der Züge und das Wechseln der Wäsche beinhaltet. Während dem Durchgang durch die verschiedenen Wagen mit ihren Abteilen erfuhr man viel Wissenswertes, etwa über die verschiedenen Komfortlevels der Schlaf-, Liege- und Sitzwagen, über die unterschiedlichen Frühstücks- und Essensangebote, die Klimatisierung oder über die kleinen Weh-Wehchen der verschiedenen Züge – wie etwa empfindliche Türen. Damit könnte es aber demnächst vorbei sein – 2025 kommt nämlich neues Rollmaterial in den Nachtzügen ab der Schweiz zum Einsatz.
Text: Kathrin Reimann